Experten diskutieren Zusammenhänge von Mikrobiom und Erkrankungen

4. SymbioKongress 2021

Unter dem Titel „Das menschliche Mikrobiom - Vom Modellsystem in den Weltraum“ fand am 27.11.2021 der 4. SymbioKongress statt. Es gab hochkarätige Vorträge von Fachleuten für Fachleute direkt an den heimischen Bildschirm.

Das große Thema der Diabetes-Vorbeugung oder das Mikrobiom in Extremsituationen wie beispielsweise im Weltall waren interessante Aspekte. Auch Modellsysteme für moderne Probiotika wurden vorgestellt. Die Experten diskutierten neue Erkenntnisse und Zusammenhängen zwischen Darmmikrobiom und Erkrankungen wie Parkinson.
Die breitgefächerte Themenpalette beleuchtete die vielen Gesichtspunkte der modernen Mikrobiom-Forschung und bot den 600 Teilnehmenden zahlreiche neue Fakten. Sie bekamen Grundlagenwissen und Tipps für die Praxis vermittelt.

Moderator Andreas Schwiertz.

Der SymbioKongress 2021 mit den ausgewiesenen Mikrobiom-Experten fand aus Pandemie-Gründen als Online-Veranstaltung statt; übertragen wurden die Vorträge aus dem Ernst Leitz Park Hotel in Wetzlar. Durch die Veranstaltung führte Professor Dr. Andreas Schwiertz, MVZ Institut für Mikroökologie und Teilzeit-Professor an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Auf dieser Seite finden Sie die Inhalte der Vorträge zum Nachlesen zusammengestellt.

Übersicht über die Vorträge des 4. SymbioKongresses

Werbebanner für den 4. SymbioKongress 2021.
Dr. Volker Rusch

Dr. Volker Rusch: Begrüßung und Einleitung – Heilen mit Bakterien

Dr. Volker Rusch, Gründer und Geschäftsführer der SymbioPharm GmbH und Begründer des Instituts für Integrative Biologie der Alten Universität Herborn, eröffnete als Schirmherr die Veranstaltung. Er erklärte: „Symbio, das sind  Menschen, die Ideen haben, die sich eine Aufgabe gestellt haben, deren Credo heißt: Heilen mit Bakterien. So betrachten wir das Spannungsfeld Mensch und Mikroben.“

Er beschrieb die Anfänge der bakterienhaltigen Präparate: Bereits in den 1950er Jahren haben sich Ärzte zusammengeschlossen, „um die Behandlung kranker Menschen mit physiologischen Bakterien wissenschaftlich zu klären“. Sie nutzten unter anderen gesundheitsförderliche Kolibakterien, Enterokokken und auch Laktobazillen, also Milchsäurebakterien.

Der Wirkungskreis nahm seine Anfänge in Wetzlar mit den Pionieren Dr. Arthur Becker, Dr. Hans Kolb und Dr. Hans-Peter Rusch – unterstützt durch den Unternehmer Ernst Leitz. Sie begannen,  Bakterienpräparate als Suspensionen (= flüssige Arzneimittel) in der Medizin erfolgreich einzusetzen.
Aus der Keimzelle entstanden der Arbeitskreis für Mikrobiologische Therapie e.V. (AMT e.V.), die Symbio-Unternehmensgruppe und das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) Institut für Mikrobiologie, ein mikrobiologisches Labor und Arztpraxis.

Fiktion kontra Fakten

Wie in Klondyke scheint heute ein Goldrausch rund um Milchsäurebakterien zu herrschen und viele Firmen sehen sich plötzlich als Probiotika-Pioniere. Allerdings geht auch der Begriff probiotisch auf Dr. Hans Kolb zurück, der ihn bereits 1955 nutzte.
Denn die Pioniere der Mikrobiologischen Therapie sahen die unerwünschten Folgen der antibiotischen Behandlungen und die Möglichkeit, mit gesundheitsfördernden lebenden Bakterien als probiotische Therapie diese zu verhindern.
Heute heißt es: Probiotika sind Zubereitungen mit lebenden Mikroorganismen, die - in ausreichenden Mengen eingenommen - einen gesundheitsfördernden Einfluss auf den Menschen besitzen.

Für die SymbioPharm GmbH gilt: „Wir sind Fakten! Wir sind Arzneimittel - und haben hohe ethische und wissenschaftliche Ansprüche!“ Denn die Entwicklung von Arzneimitteln – speziell von Mikrobiologika - ist ein langer und anspruchsvoller Weg.

Symbioflore = echte Arzneimittel

Es kommt auf die Wirkung des jeweiligen Bakterien-Stammes an: Symbio E. coli DSM 17252 beziehungsweise Symbio Enterococcus faecalis DSM 16440 heißen die Stämme, die es nur in den Symbioflor®-Arzneimitteln als lebende probiotische Bakterien gibt.
Zu den probiotischen Arzneimittel mit den besonderen Kolibakterien (Escherichia coli, kurz: E. coli) und Enterokokken (Enterococcus faecalis) gibt es experimentelle Studien zur Wirksamkeit, molekularbiologische Analysen - beispielsweise Genomanalysen, um Gene auszuschließen, die Krankheiten auslösen können - und klinische Studien wie von Symbioflor® 2 mit Reizdarmpatienten.

Daraus folgte die Zulassung als Arzneimittel - zuerst von der Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), dann vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
Das heißt: „Wir sind Arzneimittel, wir sind eigene Bakterien!“ Das gilt für die Symbioflore, die von Herborn aus in die ganze Welt geliefert werden.

Dr. Rusch fuhr fort: „Wir sind High-Tech“, denn die SymbioPharm GmbH erfüllt die strengen Anforderungen, die an Arzneimittel gestellt werden.

„Wir sind Forschung und Lehre“

Von Anfang an arbeitete die SymbioPharm mit Hochschulen und Universitäten zusammen, um die Forschung zum Mikrobiom voranzutreiben. Denn „das Mikrobiom ist ein Universum der eigenen Art, (...) ein Organ des Holobionten Homo sapiens“, betonte Dr. Rusch die Wichtigkeit der Bakteriengemeinschaft. Der Begriff Holobiont beschreibt den Menschen als eine Lebensgemeinschaft mit seinen ihn besiedelnden Mikroorganismen.

Die SymbioPharm GmbH fördert die Verbreitung von Wissen zum Mikrobiom – beispielsweise mit dem SymbioKongress, denn Wissen ist die Grundlage für neue Behandlungs- und Anwendungsfelder.
In dem Zusammenhang verwies Dr. Rusch auch auf die Stiftung der Alten Universität Herborn = Old Herborn University mit regelmäßig stattfindenden Seminaren (OHUS) – seit 1987. Deren Veröffentlichungen stellen eine Fundgrube für wissenschaftliche Grundlagen dar.

Dann leitete Dr. Rusch auf die folgenden Vorträge nächsten Sprecher über: „Schon bald will die Menschheit auf dem Mars landen.“ – wie Pläne der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) lauten. Dazu gibt es ein Antarktis-Projekt, um Bedingungen für Astronauten auf dem Weg zum Mars zu studieren: Untersuchungen zu Mikrobiota, Immunsystem und Stoffwechsel stehen auf dem Plan – und Wissenschaftler aus Herborn sind in Kooperation an diesem wegweisenden Projekt beteiligt.

Mit herzlichem Dank an die vielen Menschen, die seit vielen Jahren das Unternehmen begleiten und den Kongress organisiert haben, beendete Dr. Rusch seinen Vortrag und wünschte allen Teilnehmern viel Freude bei den interessanten Vorträgen.

Dr. Stefan Pelzer

Professor Dr. Stefan Pelzer: Modellsysteme des menschlichen und tierischen Darms

Professor Dr. Stefan Pelzer, Leiter Biotechnologische Innovation Nutrition & Care Evonik AG, gelernter Mikrobiologe und außerordentlicher Professor an der Universität Tübingen, erläuterte zuerst die umfassende Bedeutung des Mikrobioms für die Gesundheit. Er sprach sogar vom Bakterienschatz. Denn die Darmflora ist nicht nur für die Darmgesundheit von Bedeutung, sondern beeinflusst auf vielerlei Wegen die allgemeine Gesundheit und Fitness - und sogar die Stimmung.

Erklärung: Mikrobiota = Die Gemeinschaft aller Mikroorganismen einer Umgebung. Darmmikrobiota = Darmflora die Gemeinschaft aller Mikroorganismen im Darm. Da die überwiegende Mehrheit Bakterien sind, sind oft auch nur Bakterien gemeint. Mikrobiom = Der Lebensraum mit den Mikroorganismen, die Gesamtheit ihrer Gene und Stoffwechselprodukte. Umfasst auch die Umweltbedingungen.
Oft werden beide Begriffe gleich genutzt.

Das gilt nicht nur für den Menschen, sondern auch für Tiere. Dabei stehen besonders Nutztiere im Fokus.
Zahlreiche Faktoren wie Futter, die Umgebung, Alter und auch Stress wirken auf das Mikrobiom und seine Zusammensetzung ein. Daher sind für aussagekräftige Untersuchungen standardisierte Bedingungen  notwendig. Modellsysteme eignen sich besser als lebende Tiere, um faktenbasiert Wirkprinzipien einer Bakteriengemeinschaft und neuer Produkte zur Beeinflussung der Darmflora zu analysieren. Ziel ist es, geeignete Bakterien für Produkte zu beurteilen, die der Tiergesundheit oder einer gesunden menschlichen Ernährung nützen.

Funktionierendes Darmmodell eines Huhns

Probiotika sind Zubereitungen aus lebenden Mikroorganismen, meist Bakterien, die einen gesundheitsfördernden Einfluss besitzen, wenn sie in ausreichender Menge verzehrt werden.
Der Nachweis des Nutzens ist für echte bakterienhaltige Arzneimittel ein Zulassungskriterium. Meist werden alle Produkte mit lebenden Bakterien als Probiotika bezeichnet, obwohl es sich überwiegend um Nahrungsergänzungsmittel handelt.

Präbiotika (=Prebiotika) sind unverdauliche Nahrungsbestandteile überwiegend pflanzlicher Herkunft, die eine gesundheitsfördernde Wirkung besitzen. Sie regen Wachstum und/oder Aktivität von Bakterien insbesondere im Dickdarm an.

Um geeignete Präbiotika und Probiotika für die Gesundheit von Hühnern zu finden, entwarf die Evonik Nutrtition & Care ein Modell eines Hühner-Verdauungssystem von Kropf und Vormagen bis hin zur Kloake – so heisst der Stuhl-Austrittsorts des Huhns. Das Modell besteht aus miteinander verbundenen Glasgefäßen und bildet sogar den für Hühner typischen Reflux ab, also das teilweise Zurückfließen von Inhalt aus dem Blinddarm in den Dünndarm. Dadurch mischen sich die Darmbakterien.
Dann brachten die Wissenschaftler den Inhalt der einzelnen Verdauungstrakt-Abschnitte in die Glasgefäße ein. Dazu mussten sie auch das Überleben anaerober, also gegenüber Sauerstoff empfindlicher, Bakterien sicherstellen. Während im vorderen Verdauungstrakt oft aerobe oder aerotolerante Arten leben, sind die Bewohner im hinteren Abschnitt in der Regel strikt anaerob.
Um das System zu testen, verglichen sie den Gehalt organischer Säuren aus dem Modell mit Proben von lebenden Hühnern. Zwar unterschied sich die relative Verteilung leicht, aber es gab eine große Übereinstimmung von Vorgängen im Tier und im Modell.

Dann erfolgte ein Test mit einem Präbiotikum. Die Verdauungsenzyme des Huhns selbst können den Ballaststoff Fruktooligosaccharide (FOS) nicht abbauen, allerdings können das die im Verdauungstrakt enthaltenen Bakterien. Sie produzieren nach Gabe von FOS im Dünndarm (Ileum) vermehrt Milchsäure (Laktat) und im Blinddarm vermehrt kurzkettige Fettsäuren. Auch hier stimmten die Ergebnisse des Modells und die der lebenden Tiere überein.

Probiotika ersetzen Antibiotika

In der Tierhaltung wurden Antibiotika oft großzügig eingesetzt – auch in niedrigen Konzentrationen zur Mast (subtherapeutisch = für eine Behandlung von Krankheiten zu niedrige Menge) . Nach dem Verbot des unbegründeten Einsatzes bei Tieren, sind Produkte als Ersatz notwendig. Da sind Probiotika naheliegend.

Ein Erreger für Darmerkrankungen beim Huhn - mit massiven gesundheitlichen Auswirkungen und demzufolge deutlichen wirtschaftlichen Schäden - ist das Bakterium Clostridium perfringens. Es kommt weltweit vor und schädigt die Darmwand. In der Folge verlieren die Tiere deutlich an Gewicht.
Ziel war es daher, ein geeignetes Bakterium als probiotischen Futterzusatz für Hühner zu finden. Es sollte die Darmgesundheit der Tiere unterstützen, also dem schädigenden Keim entgegenwirken, und gleichzeitig für eine Gewichtszunahme sorgen.

Dazu erfolgten Tests mit verschiedenen Stämmen der Art Bacillus subtilis. Das Wort „Bazillen“ setzen Viele mit Krankheitserregern gleich. Aber Bacillus subtilis ist ein weit verbreitetes Bodenbakterium. Dabei kann der genetische Unterschied zwischen verschiedenen Bacillus subtilis-Stämmen stärker sein – im Extremfall bis 18 Prozent - als zwischen Mensch und Affe – 4 Prozent - oder sogar zwischen Mensch und Maus – 10 Prozent. Deshalb unterscheidet sich die Wirkung der Bakterienart innerhalb einzelner Stämme entsprechend – sie reicht von inaktiv bis probiotisch wirksam.

Auch für E. coli-Bakterien gilt: Es kommt auf den Stamm an. Es gibt pathogene, also krankmachende Stämme und probiotische Stämme wie Symbio E. coli DSM 17252, die gesundheitsfördernd wirken.

Mithilfe des Modellsystems fanden die Wissenschaftler einen probiotisch wirkenden Bacillus-Stamm, der die simulierten Darmbedingungen überlebte, gegen verschiedene Krankheitserreger wirkte und sicher war, also selbst kein Risiko darstellte. Das Bakterium kann Biofilme bilden; das ist ein Teil seiner vorteilhaften Wirkung.

Wenn es im Modell funktioniert, muss trotzdem noch ein Test an lebenden Tieren das Ergebnis bestätigen. Hier zeigte sich: Die Fütterung des probiotisch wirkenden Bacillus subtilis-Stammes kann trotz Infektion mit Clostridium perfringens eine ausgeglichene Bakteriengemeinschaft im Hühnerdarm aufrechterhalten und Schäden der Darmwand entgegenwirken. Ein Fütterungstest in verschiedenen Regionen der Welt ergab eine gewünschte Gewichtszunahme der Tiere, die sich allerdings von Region zu Region unterschied.

Entwicklung von Produkten für die menschliche  Ernährung

Die Technologien und Kompetenzen aus Tierexperimenten lassen sich auch für die Entwicklung bakterienhaltiger Produkte für die menschliche Ernährung nutzen. Eine Kombination aus einem Probiotikum und prebiotischen Nährstoffen heißt Synbiotikum. Teilweise handelt es sich um eine Kombination aus einem Probiotikum und Nahrungsmittelbestandteilen, die zusammen vorteilhaft wirken.
Ein Beispiel ist der als sicher identifizierte Bacillus subtilis-Stamm mit einem Dipeptid, also zwei Aminosäuren. Das daraus entwickelte Synbiotikum fördert die Produktion der kurzkettigen Fettsäure Butyrat (Buttersäure). Sie hat zahlreiche gesundheitsfördernde Wirkungen.
Eine klinische Studie zeigte: Das Synbiotikum fördert nicht nur im Darmmodell, sondern auch bei realen Personen die Butyratproduktion. Außerdem ist es sicher und gut verträglich.

Zusammenfassung:

Zum Abschluss seines Vortrages fasst Professor Pelzer die wichtigsten Aussagen zusammen:

  • Eine ausgewogene und diverse, also reichhaltige Darmflora ist die Basis, um Gesundheitsproblemen vorzubeugen.

  • Wer Produkte für Tier und Mensch entwickeln möchte, benötigt eine Vielzahl an Technologien und Kompetenzen.

  • Standardisierte Darmmodelle liefern faktenbasierte Wirkanalysen.

  • Probiotika können eine gesunde Ernährung bei Mensch und Tier unterstützen

  • Analysen der Bakterien und ihrer Stoffwechselprodukte sind für Interpretationen der Funktion wichtig.

Professor Dr. Peter Schwarz

Professor Dr. Peter Schwarz: Diabetes-Prävention in Deutschland - Fact or Fiction?

Ist Diabetes-Prävention Fakt oder Fiktion? Unter dieser Überschrift gab Professor Dr. Peter Schwarz von der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden einen lebendigen Überblick über die Zusammenhänge zwischen Darm-Mikrobiom und Diabetes. Seine Arbeit beschäftigt sich vor allem mit der Frage, wie man Diabetes  - auch mit Hilfe einer gesunden Darmflora - verhindern kann. Dafür arbeitet er an digitalen Hilfsmitteln.

Die aktuelle Pandemie und Diabetes hängen zusammen

Die COVID-19-Pandemie ist mit einer Diabetes-Pandemie verbunden, so Professor Schwarz. Zwar verursacht das Virus selbst keine Diabetes-Erkrankung. Aber die begleitenden Maßnahmen wie Lockdown und soziale Isolation haben beispielsweise in Sachsen die Zahl der neu diagnostizierten Diabetiker um 19 Prozent erhöht. Dem liegt die durchschnittliche Gewichtszunahme von 6,2 kg pro Person zu Grunde, die aus Diabetes-Vorstadien in einen echten Diabetes führen kann. Zudem erhöht Diabetes das Sterblichkeitsrisiko für COVID-19. So sind die Hälfte der Patienten, die auf der Intensivstation an einer Infektion mit SARS-CoV-2 versterben, Diabetiker.

Jungbrunnen Bewegung

Professor Schwarz beeindruckte im Sinne der Diabetes-Prävention die Teilnehmer mit praxisnahen Beispielen und Zahlen aus dem Alltag. Damit machte er klar, dass der Lebensstil mit Ernährung und Bewegung maßgeblich für die Vorbeugung von Diabetes ist.

Beispiele:

  • 1000 Schritte mehr am Tag zu laufen, als man es jetzt bereits tut, hat bei Typ 2-Diabetikern eine ähnlich gute Wirkung auf den Blutzucker wie das Medikament Metformin. „Bewegung ist ein Jungbrunnen, aus dem wir selbst schöpfen können“, so Professor Schwarz.

  • Nach 17 Minuten Sitzen beginnen schädliche Stoffwechselprozesse in Bindegewebszellen, die einem 87-jährigen Menschen im Sterbeprozess entsprechen. Langes Sitzen ist sozusagen tödlich. Aber: Nur 20 Sekunden Aufstehen reichen bereits aus, um diese schädlichen Prozesse zu unterbrechen.

Ungefähr 20 Jahre dauert es, so Professor Schwarz, bis aus einem gestörten Blutzucker-Haushalt ein diagnostizierter Diabetes wird. In diesem Zeitfenster und natürlich auch schon vorher liegen große Chancen für die Vorbeugung.

Problem Leberfett

Übergewicht reduzieren – das ist laut Professor Schwarz ein grundlegendes Erfolgsrezept, um das Diabetes-Risiko zu senken. Besonders gefährlich ist das sogenannte viszerale Fett. Damit sind die Fettpolster gemeint, die sich im Körperinneren in der Bauchhöhle bilden und dort um die Organe legen – also inneres Bauchfett. Es bildet etwa 600 Botenstoffe, die im ganzen Körper wirken und chronische Erkrankungen wie Diabetes auslösen können.

Das innere Bauchfett muss also weg – nur wie? Hier hilft nach Aussage von Professor Schwarz nur Bewegung. Allerdings gibt es dabei einen Haken: Besitzt der Mensch neben innerem Bauchfett auch noch eine Fettleber, wird er zum Non-Responder – also Nicht-Antworter - in Bezug auf körperliche Aktivität. 100 g Leberfett reichen dabei schon aus. Das entspricht etwa einer Handvoll Fett. Dann nützt die Bewegung also nicht mehr, um das innere Bauchfett abzubauen, so Professor Schwarz.

Das Leberfett muss also zuerst weg. Hier stellt sich die Frage „wie?“ Früher dachte man, dass Leberfett nicht abgebaut werden könne, so Professor Schwarz. Mittlerweile ist Fasten die Methode der Wahl, um das Fett aus der Leber abzubauen. Eine proteinreiche Diät könne bei dem Abbau von Leberfett unterstützen, so Professor Schwarz. Allerdings hat auch sie ihre Nachteile.

Vorsicht bei Zuckerersatzstoffen

Besonders warnte Professor Schwarz im Zusammenhang mit der Fettleber vor Zuckerersatzstoffen. Wissenschaftliche Studien zeigen: Bei einjährigem täglichem Verzehr einer Dose eines Softdrinks mit Zuckerersatzstoffen steigt das Diabetes Risiko um etwa 60 Prozent an. Die Ursache liegt in der Veränderung der Darmflora. Denn wenn ein Mensch eine tägliche Schwelle von Zuckerersatzstoffen überschreitet, verändert sich die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft im Darm.

Trinkt man zwei Wochen lang jeden Tag eine Dose eines Light-Softdrinks, verändert sich die Darmmikrobiota stärker als bei täglicher zweiwöchiger Einnahme eines Antibiotikum, so Professor Schwarz. Die unter Zuckerersatzstoffen hochwachsenden Bakterien lieben es, die Zuckerersatzstoffe aufzuspalten, überwuchern den Darm und produzieren bestimmte Fettsäuren. Diese Fettsäuren gelangen über den Darm in die Leber und verursachen das Leberfett.

Insgesamt gibt es 38 Zuckerersatzstoffe, die allerdings nicht alle auf der Verpackung eines Lebensmittels ausgewiesen werden müssen. Von den 38 Zuckerersatzstoffen verändern 36 das Mikrobiom in der geschilderten nachteiligen Weise. Nur zwei Zuckerersatzstoffe, Erythrit und Stevia, verändern die Mikrobiota nachweislich nicht, wenn sie in normalen Mengen verzehrt werden. Trotzdem solle man auch Erythrit und Stevia nicht wahllos verzehren, so Professor Schwarz.

Die Handy-App kann helfen

Mit einer Smartphone-basierten App sind wir direkt in der Hosentasche unseres Patienten, so Professor Schwarz. Wissenschaftliche Daten belegen: Eine App-Unterstützung kann bei Diabetes große Erfolge in Vorbeugung und Behandlung erzielen. Sie unterstützt nachhaltig die Patientenbetreuung und gesundheitsförderliche Änderungen des Lebensstils.
Das Fachwort für solche Apps lautet DiGa – kurz für „Digitale Gesundheitsanwendungen“. Sie sind Medizinprodukte und ihre Kosten werden von der Krankenkasse erstattet. Seit wenigen Wochen gibt es die erste Diabetes-DiGa. Sie heißt ESYSTA und leistet ein digitales Diabetes-Management. Weitere DiGas sind in der Entwicklung und baldigen Zulassung.

Prof. Dr. Martina Heer

Professor Dr. Martina Heer: Probiotika und Präbiotika in Extremsituationen

Professor Dr. Martina Heer, IU Internationale Hochschule Campus Bad Reichenhall & Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften Universität Bonn, entführte ihre Zuhörer ins All. Für sie sind Weltraummissionen mit früheren Expeditionen auf Segelschiffen vergleichbar. In beiden Fällen sind die Teilnehmer besonderen Änderungen des Lebensstils ausgesetzt: Es herrschen beengte Verhältnisse und Stress  - und alle notwendigen Versorgungsgüter müssen bei Reiseantritt mit an Bord sein.

Die ausreichende Versorgung mit Nährstoffen ist wichtig

Während früher Mangelernährung typisch und kaum zu verhindern war, will man heute eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen der Expeditionsteilnehmer gewährleisten. Dabei hat sich im Laufe der Zeit die Astronautennahrung grundlegend gewandelt: von Essen aus Tuben zu einer beachtlichen Auswahl an unterschiedlichen Speisen, die auf die verschiedenen Esskulturen zugeschnitten ist. So gibt es auch Maultaschen aus der Dose; während ein großer Teil der Speisen gefriergetrocknet ist. Der Astronaut muss dann nur Wasser hinzufügen.
Das wichtigste für die Speisen: Sie müssen mehr oder weniger steril sein, dürfen also keine Mikroorganismen enthalten, die zu Erkrankungen führen könnten. Daher werden die Speisen vorher stark erhitzt oder eben dehydriert, damit Mikroorganismen sich nicht vermehren können. Und es gibt nur selten frisches Obst und Gemüse.
Um Infektionskrankheiten zu vermeiden, müssen die Astronauten vor ihrem Start auch für einige Zeit in Quarantäne.

Wichtig: Eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen muss gewährleistet sein, damit die Astronauten leistungsfähig bleiben. Da sie sich aber deutlich weniger bewegen, stellt sich die Frage: Nehmen die Astronauten zu?

Die Antwort lautet: nein. Ein Grund: Die Kalorienversorgung bei den Weltraummissionen ist reduziert; die Astronauten nehmen nur etwa 70 bis 80 Prozent der benötigten Energie zu sich. Hier besteht die Gefahr einer Unterversorgung mit Spurenelementen, Vitaminen oder Ballaststoffen. Besonders die männlichen Astronauten verzehren meist zu wenige Ballaststoffe. Abhilfe schaffen könnten Präbiotika – unverdauliche Nahrungsbestandteile, die das Wachstum nützlicher Bakterien fördern. Dazu gehören beispielsweise Inulin oder resistente Stärke. Bisher gibt es dazu leider noch keine Untersuchungen - sind aber für die Zukunft geplant.

Die Astronauten erfahren keine vollkommene Schwerelosigkeit, sondern eine Mikrogravitation.

Zu Beginn eines Weltraumaufenthaltes führt die Schwerelosigkeit zur sogenannten „space motion sickness“ (Raumkrankheit), die mit Übelkeit und reduziertem Appetit über 2 bis 3 Tage verbunden ist. Während dieser Phase essen die Astronauten kaum. Danach haben sie sich an die Schwerelosigkeit gewöhnt.

Auswirkungen der Mikrogravitation auf Muskeln und Skelett

Während einer Weltraummission verlieren Astronauten sogar an Gewicht. Denn sie belasten während der Weltraummissionen – aufgrund der annähernden Schwerelosigkeit - besonders die Beine weniger. Deshalb bauen sich hier die Muskeln ab und das Gewicht des Menschen reduziert sich. Nach der Landung baut sich auf der Erde der Muskel wieder auf und das Gewicht erreicht nach ungefähr einem Monat wieder den vorherigen Stand.

Nicht nur die Muskelmasse reduziert sich beim Aufenthalt im All, auch die Knochendichte nimmt ab - vor allem im Unterleib und den Beinen, während im Schädelbereich sogar ein Zugewinn erfolgt. Eine Metastudie, eine Zusammenfassung verschiedener Einzelstudien. berichtet: Pro Monat reduziert sich die Knochendichte um 1 bis 1,5 Prozent. Das ist viel, denn bei Frauen, die an Osteoporose (= Abbau der Knochenmasse) in der Postmenopause leiden, beträgt der Verlust der Knochendichte 1 Prozent pro Jahr.
Zurück auf der Erde regeneriert sich die Knochendichte nur langsam. Krafttraining im All kann die Knochenbildung positiv beeinflussen.

Höheres Risiko für Nierensteine

Mit der reduzierten Knochenmasse hängt ein veränderter Kalzium (kurz: Ca)-Haushalt zusammen. Dabei sind die Kalzium-regulierenden Hormone, das Parathormon, Vitamin D und Calcitonin während des Fluges im All vermindert. Nach der Landung erreichen sie nach einiger Zeit wieder die vorherigen Werte.
Das Parathormon fördert den Kalziumtransport von den Knochen ins Blut, sorgt also für einen Anstieg des Serum-Kalzium-Spiegels. Calcitonin ist der Gegenspieler des Parathormons, der den Kalziumspiegel im Blut senkt.

Insgesamt steigt im All der Kalziumgehalt im Blutserum an. Daher wird weniger Kalzium aus dem Darm resorbiert und der Kalziumgehalt im Urin erhöht sich ebenfalls. Das verstärkt sich, wenn die Astronauten nicht genügend trinken. Damit steigt das Risiko für Nierensteine. Weiterer unerwünschter Effekt: Auch das Urin-Sammelsystem der Station kann durch Steinbildung lahmgelegt werden. Eine verstopfte Toilette ist bereits auf der Erde ein Problem – im All führt es zu noch größeren Problemen.

Geschwächtes Immunsystem

Im All besitzen die Astronauten ein weniger leistungsfähiges Immunsystem: Die Funktion einiger Immunzellen wie Natürliche Killerzellen, T-Zellen und Monozyten ist reduziert und sie sind im Körper auch anders verteilt. Damit steigt die Gefahr, dass im Körper schlummernde Keime wie beispielsweise Herpesviren aktiviert werden.

Zusätzlich steigt die Menge verschiedener entzündungsfördernder Botenstoffe (Zytokine) an, die nicht nur den Immunstatus beeinflussen, sondern auch den Knochenabbau fördern. Unter der Schwerelosigkeit verändert sich auch der Glukosestoffwechsel: Aufgrund der reduzierten mechanischen körperlichen Belastung kommt es zur gestörten Glukosetoleranz, bei der der Blutzuckerspiegel und gleichzeitig die Konzentration des ausgeschütteten Insulins ansteigen.

Obendrein kann die Strahlung im All viele negative Auswirkungen haben – auch auf die Bakteriengemeinschaft des Darms. Die Darmflora ändert sich aufgrund der Mikrogravitation, veränderten Umweltbedingungen und Stress. Besonders die Vielfalt der Bakteriengemeinschaft nimmt ab. Bisher fehlen allerdings Versuche mit Probiotika.

Zum Abschluss stellte Dr. Heer verschiedene Modelle für Immobilität oder Isolation vor: So werden beispielsweise auf einer Liege mit Kopftieflage die Auswirkungen einer geänderten Blutverteilung im Körper getestet. Oder Probanden liegen für ein bis zwei Wochen und schauen: Was passiert bei längerer Unbeweglichkeit mit den Körperfunktionen?
Daneben gibt es Raumschiffnachbauten, um zu sehen, was passiert, wenn eine kleine Gruppe Menschen für längere Zeit eng zusammenlebt und von der Außenwelt isoliert ist.

Extremsituationen bietet unter anderen die Antarktis. Dort ist grade eine Mini-Expedition gestartet: Zwei Abenteurer wollen mit Gleitschirmen in 80 Tagen 2.600 Meilen und 3.300 Höhenmeter überwinden – mit resistenter Stärke als Ballaststoff im Gepäck.

Prof. Dr. Markus Egert

Professor Dr. Markus Egert: Mikrobiom bei Erkrankungen

Professor Dr. Markus Egert lehrt und forscht an der Fakultät Medical and Life Sciences vom Campus Schwenningen der Hochschule Furtwangen, von der er begeistert zu Beginn seines Vortrags als möglichen Studienort berichtete.
Unter dem Titel „Das Mikrobiom bei Erkrankungen“ erläuterte Professor Egert, wie der Darm und seine Darmflora mit dem restlichen Körper zusammenhängen. Wissenschaftler sprechen von verschiedenen Mikrobiota-Darm-Achsen, um diese Zusammenhänge zu beschrieben. Ein populäres Beispiel ist die Darm-Hirnachse, die wissenschaftlich korrekt Mikrobiota-Darm-Hirnachse heißt.

Der umgangssprachliche Begriff Darmflora bedeutet das Gleiche wie der Fachbegriff Darmmikrobiota. Damit sind die vielen Mikroorganismen gemeint, die im Darm des Menschen leben, besonders die zahlreichen Bakterien. Das Mikrobiom umfasst zusätzlich die Gene der Mikroorganismen, ihre Stoffwechselprodukte und die Umweltbedingungen.

Der Mensch wächst mit Hilfe seines Mikrobioms über sich hinaus

Lange hieß es, der Mensch besäße mehr Bakterien als er Körperzellen habe. Das ist mittlerweile überholt. Wie wir jetzt wissen, ist die Zahl der menschlichen Körperzellen ungefähr gleich der Zahl der beherbergten Bakterien: Ungefähr 10.000.000.000.000 Bakterien, also 10 Billionen, trägt jeder Mensch mit sich herum. Dahinter verbergen sich insgesamt etwa 15.000 Bakterienarten - wobei auf einem einzelnen Menschen ein paar Hundert bis 1.000 Arten leben. Die höchste Bakteriendichte beherbergt der Mensch im Darm - gefolgt vom Mund, der Vagina und der Haut.

Unsere Bakterien verleihen uns  - im wahrsten Wortsinn – übermenschliche Fähigkeiten. Denn sie bereichern unser genetisches Repertoire mit Genen, die für Fähigkeiten verantwortlich sind, die wir alleine als Menschen nicht hätten. Zehn- bis 100-fach mehr Gene bringen unsere bakteriellen Mitbewohner mit, als wir Menschen besitzen. Ein Beispiel für die exklusive bakterielle Mitarbeit ist der Verdau der Pflanzenfaser Zellulose: Wir Menschen können sie nicht abbauen. Aber einige unserer Darmbakterien können das, weil sie Gene für Enzyme besitzen, die wir Menschen nicht haben.

Neben vielen anderen Aufgaben ist die Darmflora auch wichtig für die Entwicklung eines gesunden Darms: Alle Darmstrukturen, inklusive der Darmfalten und der Schleimschicht, entwickeln sich erst dann richtig, wenn unser Darm Kontakt zu seiner Darmflora bekommt.

Die Darmflora verändert sich im Laufe des Lebens und reagiert auf verschiedene Einflüsse

Mit der Geburt entwickelt sich die Darmflora des Neugeborenen und im Laufe des Lebens stetig weiter. Sie unterliegt dabei verschiedenen Einflüssen. Zum Beispiel finden sich unterschiedliche Bakterien im Darm in Abhängigkeit davon, ob die Mutter stillt oder die Eltern mit der Flasche füttern. Die Ernährung bleibt auch im Erwachsenenalter ein wichtiger Einflussfaktor für die Zusammensetzung der Darmflora - neben anderen Einflüssen wie Chemikalien in der Umgebung .

Die Darmflora beeinflusst die Wirkung viele Medikamente

Am Beispiel des Schmerzmittels Paracetamol erläuterte Professor Eger, wie bestimmte Darmbakterien über die von ihnen gebildeten Stoffwechselprodukte in Konkurrenz mit dem Abbau von Medikamenten treten können. So nehmen sie Einfluss auf Wirkung und Nebenwirkungen. Die Leber baut den größten Teil der eingenommenen Medikamente ab und entgiftete sie somit. Blockieren andere Stoffe die Abbauwege, kann die Anreicherung der Medikamente zu Vergiftungserscheinungen führen.
Das Mikrobiom beeinflusst sogar die Wirksamkeit der Immuntherapie bei onkologischen Patienten, wie wissenschaftliche Studien zeigen.

Von der Darmflora zur Gesundheit von Leber, Lunge und Gehirn

Bakterien im Darm haben Fernwirkungen, so Prof. Eger. Bei zahlreichen Erkrankungen finden Wissenschaftler eine veränderte Darmflora, auch wenn nicht immer klar ist, was zuerst da war: Die veränderte Darmmikrobiota oder die Erkrankung. Die Zusammenhänge zwischen einer veränderten Bakteriengemeinschaft im Darm und der Erkrankung gelten dabei nicht nur für Darmerkrankungen. Auch die Gesundheit der Leber, der Lunge und des Gehirns sowie die Erkrankung Diabetes hängen über Darmflora-gesteuerte Achsen mit dem Darm zusammen.

Bei Typ 2-Diabetes ist das Mikrobiom des Darms verändert

Im Darm von Menschen, die an Typ 2-Diabetes erkrankt sind, finden sich neben einer veränderten Bakteriengemeinschaft auch veränderte Mengen wichtiger bakterieller Stoffwechselprodukte.

Wenn Wissenschaftler die Vielfältigkeit, also die Diversität der Bakteriengemeinschaft im Darm untersuchen, finden sie eine verringerte Diversität. Es befinden sich also weniger verschiedene Bakterienarten im Darm von Menschen mit Typ 2-Diabetes als bei gesunden Menschen. Allerdings finden sich mehr Bakterien im Darm, die Krankheiten auslösen können.
Im Gegenzug fehlen gute Bakterienarten. So sind beispielsweise bei Menschen mit Typ 2-Diabetes weniger Bakterien im Darm messbar, die sich positiv auf die Gesundheit der Darmschleimhaut auswirken. Zudem ist ein wichtiges bakterielles Stoffwechselprodukt vermindert: Die Buttersäure.

Info: Für die menschliche Nase riecht Buttersäure nach Erbrochenem und dementsprechend abstoßend. Unsere Darmzellen jedoch lieben Buttersäure, denn sie ernähren sich davon. Nur gesundheitsfördernde Darmbakterien sind in der Lage, Buttersäure aus unserer Nahrung herzustellen, der menschliche Körper ist ohne seine Bakterien dazu nicht in der Lage. Buttersäure ernährt die Darmzellen und unterstützt so die Dichtigkeit der Darmbarriere.

Das Diabetes-Medikamentes Metformin arbeitet gegen die negativen Veränderungen der Darmmikrobiota; es wirkt sich positiv auf die Zusammensetzung der Darmflora aus.  

Professor Egert zeigte wissenschaftliche Studien, die ausgewählte Milchsäurebakterien als therapeutische Möglichkeit bei Diabetes nennen. Darunter fanden sich mehrere Stämme bestimmter Lactobacillus- und Bifidobacterium-Arten. Lactobazillen und Bifidobakterien werden im allgemeinen Sprachgebrauch oft als „Probiotika“ bezeichnet, obwohl es meist Nahrungsergänzungsmittel und keine Arzneimittel sind.
In der Ernährung seien Ballaststoffe wichtig, so Prof. Egert. Sie unterstützten über den Umweg gesundheitsfördernder Darmbakterien eine dichte Darmschleimhaut und verringern damit Entzündungen.

Die Mikrobiota-Darm-Hirnachse: Wie Darmbakterien Verhalten ändern

Der Darm und seine Bakterien kommunizieren auf mehreren Wegen mit dem Gehirn, wie beeindruckende Experimente mit Mäusen zeigten. Verfütterten die Wissenschaftler bestimmte Laktobazillen an die Tiere, änderte sich ihr Verhalten: Die Mäuse wurden mutiger und waren widerstandsfähiger gegen Stress. Im Gehirn der Mäuse änderten sich nach Verfütterung der Laktobazillen sogar Strukturen, die mit der Wirkung des beruhigenden Nerven-Botenstoffs GABA (Gamma-Aminobuttersäure) zu tun haben.
Ein großer Nerv des vegetativen Nervensystems, der sogenannte Vagus-Nerv, vermittelte in den geschilderten Mausexperimenten die Botschaften zwischen Darmbakterien, Darm und Gehirn. Wurde der Vagus-Nerv der Mäuse durchtrennt, hatten die verfütterten Laktobazillen keine Wirkung mehr auf das Gehirn und Verhalten der Mäuse. Erfolgreiche Studien mit Menschen stehen allerdings noch aus.

Parkinson und die Mikrobiota-Darm-Hirnachse

Über die Mikrobiota-Darm-Hirn-Achse sind Mikroorganismen des Darms auch mit der weltweit zweithäufigsten neurodegenerativen Erkrankung assoziiert: der Parkinson-Erkrankung. Wie Wissenschaftler vermuten, beginnt Parkinson im Darm. Denn die typischen krankmachenden Veränderungen zeigen sich bei vielen Patienten zunächst im Darm, bevor sie im Gehirn auftreten.

Die Zusammensetzung der Darmflora eines an Parkinson erkrankten Patienten ist anders als im gesunden Menschen. Die Bakterien verändern sich in Richtung einer entzündlich wirkenden Bakteriengemeinschaft. Das wichtige antientzündlich wirkende Darmbakterium Faecalibacterium prausnitzii hingegen geht zurück.

Zusätzlich taucht im Darm von Parkinson-Patienten ein ungewöhnlicher Bewohner in wesentlich höherer Zahl als bei gesunden Menschen auf. Er heißt Milchschimmel (Geotrichum candidum) und zählt nicht zu den Bakterien, sondern zu den Pilzen. In einer gemeinsam mit Herborn durchgeführten wissenschaftlichen Studie konnte die Wissenschaftler den Milchschimmel als möglichen „Parkinson-Pilz“ nachweisen.

Info: Wenige Tage nach dem Vortrag von Professor Egert auf dem Symbio-Kongress erschien eine Pressemitteilung der Hochschule Furtwangen, die den Fund des möglichen „Parkinson-Pilzes“ Geotrichum candidum näher erläutert. Bei Interesse können Sie die Informationen mit der Überschrift „Ein Schimmelpilz dominiert die eukaryotische Stuhlmikrobiota bei Parkinson Patienten“ hier https://idw-online.de/de/news783227 nachlesen.

Prof. Dr. Karl-Herbert Schäfer

Professor Dr. Karl-Herbert Schäfer: Mikrobiom bei Parkinson und Möglichkeiten der positiven Beeinflussung

Professor Dr. Karl-Herbert Schäfer von der Hochschule Kaiserslautern war der letzte Sprecher des Kongresses. Last but noch least referierte er zur Rolle der Darmbakterien bei der Parkinson-Erkrankung – und ob es Möglichkeiten gibt, die Darmbakterien positiv zu beeinflussen, um die Erkrankung und ihre Symptome zu verbessern.

In seinen Forschungen arbeitet Professor Schäfer unter anderem mit dem probiotischen Bakterium Symbio E. coli DSM 17252 - das im Arzneimittel Symbioflor® 2 der SymbioPharm GmbH - enthalten ist.
Professor Schäfer forscht seit über 30 Jahren am Darmmikrobiom. Damit gehört er zu den wegweisenden Visionären der Mikrobiomforschung, die sich wie auch die SymbioPharm GmbH bereits lange vor dem „Hype“ rund um die Darmflora mit dem Darm und seinen Bakterien fundiert wissenschaftlich beschäftigten.

Zu Beginn stellt er zwei für die Parkinson-Mikrobiom-Forschung grundlegende Fragen:

Verändert sich bei Parkinson die bakterielle Gemeinschaft im menschlichen Darm überhaupt?
Und produzieren die Darmbakterien andere Substanzen oder veränderte Mengen von Substanzen im Darm, was dann mit Parkinson und den zugehörigen Symptomen zusammenhängen könnte?
Die Antwort auf beide Fragen lautet „Ja“. Das haben sogar Untersuchungen an Menschen  - und nicht nur an Tieren – bestätigt. Die zugehörigen wissenschaftlichen Studien führte Prof. Schäfer unter anderem in Zusammenarbeit mit Professor Dr. Andreas Schwiertz von Institut für Mikroökologie in Herborn durch.  

Gesundheitsfördernde Bakterien und wichtige bakterielle Stoffwechselprodukte gehen bei Parkinson zurück

Wie die Ergebnisse der wissenschaftlichen Studien zeigen, gehen wichtige gesundheitsfördernde Bakterien im Darm zurück, wenn der Mensch an Parkinson erkrankt. Eines dieser wichtigen gesundheitsfördernden Bakterien heißt Akkermansia muciniphila.

Info: Akkermansia muciniphila ist in vielerlei Hinsicht für die menschliche Gesundheit wichtig. Das Bakterium produziert beispielsweise entzündungshemmende Substanzen, genauer gesagt die kurzkettige Fettsäure Propionsäure. Zudem unterstützt Akkermansia muciniphila die Darmzellen dabei, eine dichte schützende Schleimschicht auf dem empfindlicher Darmwand zu bilden. In einer Stuhlanalyse ist Akkermansia muciniphila nachweisbar. Gezielte Ernährung kann das Wachstum des Bakteriums im Darm fördern.

Wie bereits im Vortrag von Professor Egert geschildert, finden sich bei den an Parkinson Erkrankten auch verringerte Konzentrationen eines wichtigen bakteriellen Stoffwechselproduktes im Darm: Parkinsonpatienten haben weniger Buttersäure.

Zur Erläuterung: Für die menschliche Nase riecht Buttersäure nach Erbrochenem und demenstprechend abstoßend. Unser Darmzellen jedoch lieben Buttersäure, denn sie ernähren sich davon. Nur gesundheitsfördernde Darmbakterien sind in der Lage, Buttersäure aus unser Nahrung herzustellen - der menschliche Körper ist ohne seine Bakterien dazu nicht in der Lage. Buttersäure ernährt die Darmzellen und unterstützt so die Dichtigkeit der Darmbarriere. Außerdem wirkt Buttersäure antientzündlich und aktiviert die Nervenzellen des Bauchhirn.

Ein dichter Darm ist grundlegend wichtig für die Gesundheit!

Besonders betonte Professor Schäfer die schützende Funktion der Darmbarriere. Die Störung der Darmbarriere bezeichnen Fachleute als „Leaky Gut-Syndrom“. Dann ist die Darmschleimhaut durchlässig. Eine durchlässigr Darmschleimhaut ist ein Risiko für eine ganze Reihe von Erkrankungen. Wie weitere wissenschaftliche Studien von Prof. Schäfer - auch hier unter anderem in Zusammenarbeit mit Herborn - nachwiesen, zeigt eine Stuhluntersuchung bei vorliegender Parkinson-Erkrankung oft eine durchlässige Darmschleimhaut an. Das funktioniert mit Hilfe von Biomarkern im Stuhl wie beispielsweise dem sogenannten Zonulin und auch Calprotectin.

Das Bauchhirn ist beteiligt

Das Bauchhirn, auch „enterisches Nervensystem“ genannt, enthält mehr Nervenzellen als das Rückenmark. Es ist eine Art zweites Gehirn, das wir Menschen in unserem Bauch haben. Es kommuniziert mit dem Kopfhirn und empfängt von dort auch Signale. Unser Bauchhirn und Kopfhirn kommunizieren also in beide Richtungen miteinander.

Das Bauchhirn ist ein komplexer und zentraler Mitspieler an der Darmschleimhaut: Die Nervenzellen des Bauchhirns sind  - zusammen mit weiteren Zellen des enterischen Nervensystems - direkt mit der Darmschleimhaut verbunden und beeinflussen deren Dichtigkeit mit. Einige Fachleute vergleichen den komplexen Aufbau der Darmschleimhaut mit ihrem Bauchhirn mit der Blut-Hirn-Schranke: Beides sind durch Nervensysteme unterstützte Barrieren, die verhindern, dass Schadstoffe in den Organismus beziehungsweise in das Gehirn eindringen.

Das nervenschädigende Parkinson-Eiweiß α-Synuclein wandert vom Darm zu Hirn

Die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn läuft über verschiedene Systeme. Darmbakterien verpacken beispielsweise Stoffwechselprodukte in das Innere kleiner Fettbläschen, sogenannte Vesikel. Sie gelangen über das Blut in verschiedenste Körperregionen und auch in das Gehirn. Auch ein großer Nerv unseres vegetativen Nervensystems, der sogenannte Vagus-Nerv, ist an der Kommunikation zwischen Darm und Hirn beteiligt. Im Falle von Parkinson leitet er das schädliche Parkinson-Eiweißs α-Synuklein vom Darm zu Gehirn weiter, wo es das Gehirn schädigt. Teilweise kann man die Parkinson-Schäden schon früh im Darm nachweisen, bevor das Gehirn betroffen ist.

Was kann man tun?

Leider ist die Forschung noch nicht so weit, eine gezielte praktische Therapie zur Heilung von Parkinson anbieten zu können. Aber es gibt Forschungsarbeiten in viele Richtungen, die sich auch mit der Linderung von Symptomen beschäftigen. Darunter sind auch Studien, die an Probiotika forschen. So zeigen erste Forschungsansätze, wie ausgewählte probiotische E. coli-Stämme die Darmperistaltik fördern. Das kann gegen die hartnäckige Verstopfung helfen, die ein weitverbreitetes Symptom (= Krankheitszeichen) einer Parkinson-Erkrankung ist.

Die richtige Ernährung kann die Parkinson-Erkrankung und seine Symptome teilweise positiv beeinflussen. Rutin, ein antioxidativ wirksamer Pflanzenbestandteil, ist ein Beispiel dafür. Wie Versuche im Reagenzglas zeigten, kann es die Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen, die sogenannten Synapsen, erhalten und vor oxidativem Stress schützen. Allerdings fehlen auch hier noch weitere Forschungsarbeiten, um gezielte Maßnahmen für den Menschen ergreifen zu können.

Gesprächsrunde Totalaufnahme.

Bedeutung der Mikrobiom-Analyse und wissensbasierte Anwendungen von Probiotika nehmen rasant zu

In der abschließenden Diskussion mit den Referenten bekräftigte Dr. Eck, Geschäftsführer der SymbioPharm, die Bedeutung der Darmflora für zahlreiche Erkrankungen – bis zu 50 verschiedene sind bekannt- und wie wichtig probiotische Ansätze für Behandlungen sind. Nicht umsonst sehen Wissenschaftler die Mikrobiota als eigenes Organ. Aus visionären Ideen entwickelten sich wissensbasierte Probiotika, deren Wirkungen durch zahlreiche Veröffentlichungen belegt sind. Solide wissenschaftliche Arbeiten – wie sie auch seit Jahrzehnten aus Herborn kommen - klären kausale Zusammenhänge auf und dienen daher der Gesundheit.

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